Allgemeines Strafrecht

Wegnahme aus Wohnmobilen und -wagen: Ein Fall des § 244 I Nr. 3 StGB?

Der Täter bricht zur Nachtzeit bei Schnee und Eiseskälte von -15 Grad in einen entkoppelten und auf einem eigens dafür vorgesehenen Platz abgestellten Wohnwagen ein und entwendet dort die Mikrowelle: Ist das ein einfacher Diebstahl (in einem besonders schweren Fall) oder schon eine Qualifikation, die dem Diebstahl mit Waffen oder dem Bandendiebstahl gleichsteht (§ 244 StGB)? Der Bundesgerichtshof hat zu dieser bisher kontrovers diskutierten Frage zum ersten Mal Stellung genommen und sich für die Annahme einer Qualifikation bei Einbruch in Wohnmobilen bzw. -wagen ausgesprochen, wenn die Tat jedenfalls zu einem Zeitpunkt erfolgt, zu dem eine tatsächliche Wohnnutzung stattfindet (Beschluss vom 11.10.2016, 1 StR 462/16).

Hinsichtlich der ähnlich gelagerten Auslegung des Merkmals “eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient” in § 306 a Nr. 1 StGB hatte der BGH schon einige Jahre zuvor entschieden, dass ein Wohnmobil ein taugliches Objekt einer schweren Brandstiftung sein könne (BGH NStZ 2010, 519; HRRS 2011 Nr. 157). Auf dieses Urteil bezugnehmend stellt er zunächst den bisherigen Streitstand in der Literatur dar (Rd. 7 der besprochenen Entscheidung) und kommt in kritischer Auseinandersetzung mit gegenteiligen Auffassungen zu folgendem Schluss (Rd. 10-12):

“Der Gesetzgeber hat die Strafschärfung des Wohnungseinbruchdiebstahls mit der Erwägung begründet, es handele sich um eine Straftat, die tief in die Intimsphäre des Opfers eingreife und zu ernsten psychischen Störungen, etwa langwierigen Angstzuständen führen könne; nicht selten seien Wohnungseinbrüche zudem mit Gewalttätigkeiten gegen Menschen und Verwüstungen von Einrichtungsgegenständen verbunden (BT-Drucks. 13/8587 S. 43). Anlass für die Höherstufung des Wohnungseinbruchdiebstahls war somit nicht etwa der besondere Schutz von in einer Wohnung – und damit besonders sicher – aufbewahrten Gegenständen, sondern die mit einem Wohnungseinbruch einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers… Ausgehend vom Schutzzweck der Norm können auch Wohnmobile und Wohnwagen Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sein. Denn bei ihnen handelt es sich um umschlossene Räumlichkeiten, die einen erhöhten Eigentums- und Gewahrsamsschutz bieten und die, wenn sie Menschen zur Unterkunft dienen, eine räumliche Privat- und Intimsphäre vermitteln… Insbesondere dann, wenn ein Wohnmobil oder Wohnwagen zu Schlafzwecken genutzt wird, dient es den Insassen zur Unterkunft und ist Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB. Ausreichend hierfür ist, wenn die Übernachtung im Wohnmobil oder Wohnwagen im Rahmen einer Urlaubsreise stattfindet. Nicht erforderlich ist, dass die bewegliche Unterkunft dauerhaft genutzt wird.”

Nach diesen Maßstäben wird im eingangs geschilderten Beispielsfall der Qualifikationstatbestand des § 244 I Nr. 3 StGB regelmäßig nicht erfüllt sein. Anders ist es jedoch, wenn der Wohnwagen in Brand gesteckt worden wäre, denn diesbezüglich hat der BGH in der erwähnten Entscheidung aus 2010 eine restriktive Linie vorgegeben (Rd. 9):

“Das Wohnmobil dient seinem Nutzer – wie schon seine Bezeichnung nahelegt – zumindest vorübergehend als Mittelpunkt der (privaten) Lebensführung und damit zur Wohnung. Es wird nicht nur zur Fortbewegung, sondern – ähnlich einem auch zu Wohnzwecken dienenden Schiff – auch zum Aufenthalt untertags, zur Zubereitung und Einnahme von Mahlzeiten sowie zum Schlafen benutzt. Diese Eigenschaft verliert es nicht dadurch, dass es in der Regel nur für bestimmte Zeiträume – während einer Reise – als Wohnung genutzt und im Übrigen auch für u.U. längere Zeit abgestellt oder nur als Fortbewegungsmittel genutzt wird. Insoweit kann für ein Wohnmobil nichts anderes gelten als für ein nur zeitweise benutztes Ferienhaus. Ob für unverkaufte Wohnmobile auf dem Gelände eines Herstellers bzw. Händlers oder für solche Fahrzeuge, die zur Vermietung auf dem Gelände eines Unternehmens bereitstehen, etwas anderes zu gelten hätte, muss der Senat nicht entscheiden.”

Diese unterschiedliche Handhabung in beiden Vorschriften vermag mit Blick auf die Verschiedenheit der geschützten Rechtsgüter und der Rechtsnatur womöglich gerechtfertigt werden. Doch gerade der Eingangsfall und die nunmehr augenscheinlich nur partiell erfolgte Übernahme in § 244 I Nr. 3 StGB (tatsächliche Nutzung als Wohnung) bieten aus meiner Sicht einmal mehr Anlass, die restriktive Auslegung des § 306 a Nr. 1 StGB durch den BGH zu überdenken bzw. die eingeräumte Reduktionsmöglichkeit (BGHSt 26, 121, 124) großzügig zu gestalten (vgl. MK-StGB/Radtke § 306a Rd. 8, 14).

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