Ein spontan verabredetes Rennen mit PS-starken Autos in der hochfrequentierten Innenstadt von Berlin; unterwegs mit 160/170 km/h; Überfahren von mehreren roten Ampeln; Tod eines 69-jährigen Rentners nach einem Zusammenprall mit seinem Wagen: Die Verurteilung der beiden Angeklagten in Berlin wegen Mordes steht sicherlich im Mittelpunkt der jüngeren Diskussion um die strafrechtliche Würdigung von derartigen Raser-Fällen. Der Bundestag hat vor kurzem neue Vorschriften verabschiedet, die eine gesetzgeberische Reaktion auf solche Vorfälle darstellen. Die Regelungen verdienen neben grundsätzlicher Zustimmung auch gewichtige Kritik in Teilbereichen, so beispielsweise bei „Einzelrasern“ in § 315 d I Nr. 3 StGB. Hier wird der Nachweis vorausgesetzt, dass sich der Fahrer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Schon jetzt ist absehbar, dass gewichtige Beweisprobleme die Anwendung dieser Regelung erschweren dürften (kritisch Kubiciel, JurisPR-StrR 13/2017 Anm. 2). Hingegen ist es vorbehaltlos zu begrüßen, dass der Gesetzgeber in § 315 d V StGB eine Erfolgsqualifikation für den Fall des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung implementiert hat. Hierfür steht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Es stellt sich die spannende Frage, wie man den Berliner Ku’damm-Fall bei Geltung der neuen Vorschriften beurteilen müsste. Das ist keineswegs nur ein dogmatisches Glasperlenspiel, weil die Entscheidung bereits gefällt wurde, sondern könnte unmittelbare Relevanz für das derzeit noch nicht abgeschlossene Revisionsverfahren haben. Denn sollten die neuen Vorschriften das mildere Gesetz im Sinne des § 2 III StGB sein, so wäre die Verurteilung wegen Mordes schon deshalb aufzuheben.
Die Anwendbarkeit des § 2 III StGB hängt dabei eng mit der dogmatischen Einordnung der neuen Erfolgsqualifikation zusammen. Daher sollte zunächst durchgespielt werden, wie nun der Berliner Fall nach der neuen Rechtslage zu entscheiden wäre. Konkret geht es dabei um die Frage, in welchem Verhältnis § 315 d V StGB und §§ 212, 211 StGB zueinander stehen, wenn ein Tötungsvorsatz bejaht werden sollte. Dass eine solche Annahme keinen Ausreißer darstellt, hat sich kürzlich in Mönchengladbach gezeigt, wo die Staatsanwaltschaft und auch der Ermittlungsrichter, der einen Haftbefehl erlassen hat, von § 211 StGB ausgehen.
Die vorsätzliche Verursachung des Todes eines Unbeteiligten bei einem illegalen Straßenrennen unterfällt zunächst unzweifelhaft der neuen Regelung in § 315 d V StGB. Bekanntlich setzt § 18 StGB bei der Erfolgsqualifikation voraus, dass die schwerere Folge „wenigstens fahrlässig“ verursacht wurde. Demnach kann diese auch vorsätzlich bewirkt werden. Dabei ist im Grundsatz anerkannt, dass die isolierte Strafe für die vorsätzliche Herbeiführung der besonderen Folge in Tateinheit neben die Strafe für die Erfolgsqualifikation tritt (vgl. MüKoStGB/Hardtung § 18 Rn. 89). Eine Ausnahme davon wird bei § 227 StGB gemacht, der wegen Gesetzeskonkurrenz generell hinter §§ 212, 211 StGB zurücktritt (S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 18 Rn. 14). Im Hinblick auf den Regelungszusammenhang mit Straßenverkehrsdelikten wird eine Subsidiarität des § 315 d V StGB gegenüber §§ 212, 211 StGB nicht anzunehmen sein. Naheliegend ist vielmehr auch hier eine Idealkonkurrenz, die freilich gemäß § 52 II StGB zur Konsequenz hätte, dass sich die zu bildende Strafe nach der Strafandrohung der Vorschrift mit der schwersten Strafe richten müsste, also nach § 211 StGB, der eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Nach dieser Auslegung würde also die neue Regelung nichts daran ändern, dass in betreffenden Vorsatzfällen weiterhin eine Verurteilung (nunmehr: auch) wegen Mordes in Betracht käme.
Nun wurde nach dem Berliner Urteil auch in Kreisen derer, die der Annahme eines Tötungsvorsatzes im Einzelfall aufgeschlossen gegenüberstanden, gleichwohl die Anwendbarkeit des § 211 StGB kritisch gesehen: Dies sei “nicht das probate Mittel“, so etwa Kubiciel. Wie könnte aber dann § 315 d V StGB allein zur Anwendung kommen? Meines Erachtens wäre dies nur möglich, wenn man davon ausgeht, dass in § 315 d V StGB eine abschließende Spezialregelung zu sehen ist, die eine Sperrwirkung gegenüber §§ 212, 211 StGB entfaltet; vergleichbar mit § 216 StGB, der den Rückgriff auf §§ 212, 211, 227 StGB ausschließt.
Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung die hier angerissene Problematik nicht thematisiert, auch wenn ihm die problematische Anwendung des § 211 StGB auf die Vorsatzfälle bekannt gewesen sein dürfte. Er bezweckte eine Verschärfung der Rechtslage, indem mit § 315 d V StGB ein neuer Qualifikationstatbestand aufgestellt werden sollte, der dem Ziel geschuldet war, dem erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat gerecht zu werden, da die Heranziehung der §§ 222, 229 StGB in Fällen fehlenden Vorsatzes der Schwere der Tat nicht entsprechen würde (BT-Drs. 18/10148, S. 10). Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 211 StGB auf Vorsatzfälle stand daher nie zur Diskussion. Gleichwohl könnte daran gedacht werden, dass sich Raser-Fälle, bei denen ein Tötungsvorsatz angenommen wird, vom typischen Erscheinungsbild des Mordes dadurch qualitativ unterscheiden, dass der Täter ein erhebliches Selbstschädigungsrisiko eingeht, mithin “quasi-suizidal” handelt: Wer sich der Herausforderung verschreibt, das Rennen um jeden Preis für sich zu entscheiden, unterscheidet sich mit Blick auf das damit eingegangene Risiko doch wesentlich von demjenigen, der die Mordmerkmale ohne nahe Gefahr für das eigene Leben verwirklicht. Der Täter setzt – wenn auch für eigensüchtige Zwecke – das eigene Leben aufs Spiel, wenn er mit 170 km/h durch die Innenstadt rast und mehrere rote Ampeln überfährt. Erst das Vorliegen solcher waghalsigen – im wahrsten Sinne des Wortes: halsbrecherischen – Aktionen liefert schließlich die ausschlaggebenden Indizien für die mögliche Annahme eines Tötungsvorsatzes in Ausnahmefällen. Anders formuliert: Die gerichtliche Überzeugung, der rasende Täter hatte mit Tötungsvorsatz gehandelt (tendenziell offen Kubiciel/Hoven, demnächst in NStZ 8/2017), muss sich mit dem – von den Gegnern einer solchen Annahme in aller Breite dargelegten (vgl. Walter NJW 2017, 1350) – Einwand auseinandersetzen, diesem wäre letztlich der eigene Tod oder eine erhebliche Verletzung des eigenen Leibs gleichgültig gewesen, und er habe nicht auf einen guten Ausgang gehofft (nicht: “hätte hoffen dürfen”, denn das wäre kein Vorsatz, sondern allenfalls der Vorwurf einer fahrlässigen Bewertung der Situation). Wenn es gelingt, sich über diese Klippe zu retten und trotz der “Quasi-Suizidalität” einen Tötungsvorsatz anzunehmen, dann kann dieses verdichtete Potential an Selbstgefährdung durchaus das typische Erscheinungsbild der Tat in Bezug auf § 211 StGB ändern. Das verwirklichte Unrecht würde sich im Vergleich als qualitativ anders zeigen, womit die Grundlage für eine Abgrenzung zum Mord geliefert wäre. Mit einer Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, wie in § 315 d V StGB angeordnet, wären diese Vorsatzfälle dennoch unrechts- und schuldadäquat erfasst. Ohne die neue Vorschrift hätte aber an dieser Stelle in der Tat eine erhebliche Wertungslücke bestanden, die der Gesetzgeber nunmehr gefüllt hat.
Die Frage, in welchem Verhältnis § 315 d V StGB und § 211 StGB zueinander stehen, ist auch, wie bereits eingangs erwähnt, von wesentlicher Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 2 III StGB. Danach ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird. Dies setzt grundsätzlich eine Kontinuität des Unrechtstypus in der neuen Regelung voraus (vgl. S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 23), d.h. § 2 III StGB käme nicht zum Zuge, wenn in § 315 d V StGB keine spezielle, den Täter privilegierende Regelung in Bezug auf § 211 StGB gesehen werden sollte.
Die hier angerissenen Fragen werden die Rechtsprechung sicherlich noch beschäftigen, weil sie vor allem bei der Auslegung der neuen Vorschrift eine bedeutsame Verteidigungslinie darstellen werden. Letztlich verdeutlicht die zwangsläufige Annahme eines Mordes bei vorsätzlicher Todesverursachung in Raser-Fällen (das Auto wird sich in entsprechenden Konstellationen regelmäßig als gemeingefährliches Mittel darstellen) die übergeordnete Problematik beim Mordparagrafen, ohne Ausnahme die lebenslange Freiheitsstrafe anzuordnen, sobald eines der dort geregelten Merkmale erfüllt ist. Hätten wir eine auf der Rechtsfolgenseite flexible Regelung (contra legem gibt es bereits solche Hilfskonstruktionen bei der Heimtücke – Rechtsfolgenlösung des BGH, vgl. S/S-Eser/Sternberg-Lieben § 211 Rn. 10a), würden sich auch hier viele Probleme nicht in dieser Dringlichkeit stellen. Es besteht also ein – bereits erkannter – Reformbedarf, der endlich in Angriff genommen werden sollte.
Oder aber es kommt ganz anders: Der Bundesgerichtshof verwirft selbst in einem extremen Fall wie in Berlin einen Tötungsvorsatz, so dass letztlich allein § 315 d V StGB zur Anwendung kommt. Wir werden es hoffentlich bald erfahren.
Bild: Erich Kasten pixelio.de
Ein spontan verabredetes Rennen mit PS-starken Autos in der hochfrequentierten Innenstadt von Berlin; unterwegs mit 160/170 km/h; Überfahren von mehreren roten Ampeln; Tod eines 69-jährigen Rentners nach einem Zusammenprall mit seinem Wagen: Die Verurteilung der beiden Angeklagten in Berlin wegen Mordes steht sicherlich im Mittelpunkt der jüngeren Diskussion um die strafrechtliche Würdigung von derartigen Raser-Fällen. Der Bundestag hat vor kurzem neue Vorschriften verabschiedet, die eine gesetzgeberische Reaktion auf solche Vorfälle darstellen. Die Regelungen verdienen neben grundsätzlicher Zustimmung auch gewichtige Kritik in Teilbereichen, so beispielsweise bei „Einzelrasern“ in § 315 d I Nr. 3 StGB. Hier wird der Nachweis vorausgesetzt, dass sich der Fahrer „mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen“. Schon jetzt ist absehbar, dass gewichtige Beweisprobleme die Anwendung dieser Regelung erschweren dürften (kritisch Kubiciel, JurisPR-StrR 13/2017 Anm. 2). Hingegen ist es vorbehaltlos zu begrüßen, dass der Gesetzgeber in § 315 d V StGB eine Erfolgsqualifikation für den Fall des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung implementiert hat. Hierfür steht eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Es stellt sich die spannende Frage, wie man den Berliner Ku’damm-Fall bei Geltung der neuen Vorschriften beurteilen müsste. Das ist keineswegs nur ein dogmatisches Glasperlenspiel, weil die Entscheidung bereits gefällt wurde, sondern könnte unmittelbare Relevanz für das derzeit noch nicht abgeschlossene Revisionsverfahren haben. Denn sollten die neuen Vorschriften das mildere Gesetz im Sinne des § 2 III StGB sein, so wäre die Verurteilung wegen Mordes schon deshalb aufzuheben.
Die Anwendbarkeit des § 2 III StGB hängt dabei eng mit der dogmatischen Einordnung der neuen Erfolgsqualifikation zusammen. Daher sollte zunächst durchgespielt werden, wie nun der Berliner Fall nach der neuen Rechtslage zu entscheiden wäre. Konkret geht es dabei um die Frage, in welchem Verhältnis § 315 d V StGB und §§ 212, 211 StGB zueinander stehen, wenn ein Tötungsvorsatz bejaht werden sollte. Dass eine solche Annahme keinen Ausreißer darstellt, hat sich kürzlich in Mönchengladbach gezeigt, wo die Staatsanwaltschaft und auch der Ermittlungsrichter, der einen Haftbefehl erlassen hat, von § 211 StGB ausgehen.
Die vorsätzliche Verursachung des Todes eines Unbeteiligten bei einem illegalen Straßenrennen unterfällt zunächst unzweifelhaft der neuen Regelung in § 315 d V StGB. Bekanntlich setzt § 18 StGB bei der Erfolgsqualifikation voraus, dass die schwerere Folge „wenigstens fahrlässig“ verursacht wurde. Demnach kann diese auch vorsätzlich bewirkt werden. Dabei ist im Grundsatz anerkannt, dass die isolierte Strafe für die vorsätzliche Herbeiführung der besonderen Folge in Tateinheit neben die Strafe für die Erfolgsqualifikation tritt (vgl. MüKoStGB/Hardtung § 18 Rn. 89). Eine Ausnahme davon wird bei § 227 StGB gemacht, der wegen Gesetzeskonkurrenz generell hinter §§ 212, 211 StGB zurücktritt (S/S-Sternberg-Lieben/Schuster § 18 Rn. 14). Im Hinblick auf den Regelungszusammenhang mit Straßenverkehrsdelikten wird eine Subsidiarität des § 315 d V StGB gegenüber §§ 212, 211 StGB nicht anzunehmen sein. Naheliegend ist vielmehr auch hier eine Idealkonkurrenz, die freilich gemäß § 52 II StGB zur Konsequenz hätte, dass sich die zu bildende Strafe nach der Strafandrohung der Vorschrift mit der schwersten Strafe richten müsste, also nach § 211 StGB, der eine lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht. Nach dieser Auslegung würde also die neue Regelung nichts daran ändern, dass in betreffenden Vorsatzfällen weiterhin eine Verurteilung (nunmehr: auch) wegen Mordes in Betracht käme.
Nun wurde nach dem Berliner Urteil auch in Kreisen derer, die der Annahme eines Tötungsvorsatzes im Einzelfall aufgeschlossen gegenüberstanden, gleichwohl die Anwendbarkeit des § 211 StGB kritisch gesehen: Dies sei “nicht das probate Mittel“, so etwa Kubiciel. Wie könnte aber dann § 315 d V StGB allein zur Anwendung kommen? Meines Erachtens wäre dies nur möglich, wenn man davon ausgeht, dass in § 315 d V StGB eine abschließende Spezialregelung zu sehen ist, die eine Sperrwirkung gegenüber §§ 212, 211 StGB entfaltet; vergleichbar mit § 216 StGB, der den Rückgriff auf §§ 212, 211, 227 StGB ausschließt.
Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung die hier angerissene Problematik nicht thematisiert, auch wenn ihm die problematische Anwendung des § 211 StGB auf die Vorsatzfälle bekannt gewesen sein dürfte. Er bezweckte eine Verschärfung der Rechtslage, indem mit § 315 d V StGB ein neuer Qualifikationstatbestand aufgestellt werden sollte, der dem Ziel geschuldet war, dem erhöhten Unrechts- und Schuldgehalt der Tat gerecht zu werden, da die Heranziehung der §§ 222, 229 StGB in Fällen fehlenden Vorsatzes der Schwere der Tat nicht entsprechen würde (BT-Drs. 18/10148, S. 10). Ein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 211 StGB auf Vorsatzfälle stand daher nie zur Diskussion. Gleichwohl könnte daran gedacht werden, dass sich Raser-Fälle, bei denen ein Tötungsvorsatz angenommen wird, vom typischen Erscheinungsbild des Mordes dadurch qualitativ unterscheiden, dass der Täter ein erhebliches Selbstschädigungsrisiko eingeht, mithin “quasi-suizidal” handelt: Wer sich der Herausforderung verschreibt, das Rennen um jeden Preis für sich zu entscheiden, unterscheidet sich mit Blick auf das damit eingegangene Risiko doch wesentlich von demjenigen, der die Mordmerkmale ohne nahe Gefahr für das eigene Leben verwirklicht. Der Täter setzt – wenn auch für eigensüchtige Zwecke – das eigene Leben aufs Spiel, wenn er mit 170 km/h durch die Innenstadt rast und mehrere rote Ampeln überfährt. Erst das Vorliegen solcher waghalsigen – im wahrsten Sinne des Wortes: halsbrecherischen – Aktionen liefert schließlich die ausschlaggebenden Indizien für die mögliche Annahme eines Tötungsvorsatzes in Ausnahmefällen. Anders formuliert: Die gerichtliche Überzeugung, der rasende Täter hatte mit Tötungsvorsatz gehandelt (tendenziell offen Kubiciel/Hoven, demnächst in NStZ 8/2017), muss sich mit dem – von den Gegnern einer solchen Annahme in aller Breite dargelegten (vgl. Walter NJW 2017, 1350) – Einwand auseinandersetzen, diesem wäre letztlich der eigene Tod oder eine erhebliche Verletzung des eigenen Leibs gleichgültig gewesen, und er habe nicht auf einen guten Ausgang gehofft (nicht: “hätte hoffen dürfen”, denn das wäre kein Vorsatz, sondern allenfalls der Vorwurf einer fahrlässigen Bewertung der Situation). Wenn es gelingt, sich über diese Klippe zu retten und trotz der “Quasi-Suizidalität” einen Tötungsvorsatz anzunehmen, dann kann dieses verdichtete Potential an Selbstgefährdung durchaus das typische Erscheinungsbild der Tat in Bezug auf § 211 StGB ändern. Das verwirklichte Unrecht würde sich im Vergleich als qualitativ anders zeigen, womit die Grundlage für eine Abgrenzung zum Mord geliefert wäre. Mit einer Höchststrafe von bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe, wie in § 315 d V StGB angeordnet, wären diese Vorsatzfälle dennoch unrechts- und schuldadäquat erfasst. Ohne die neue Vorschrift hätte aber an dieser Stelle in der Tat eine erhebliche Wertungslücke bestanden, die der Gesetzgeber nunmehr gefüllt hat.
Die Frage, in welchem Verhältnis § 315 d V StGB und § 211 StGB zueinander stehen, ist auch, wie bereits eingangs erwähnt, von wesentlicher Bedeutung für die Anwendbarkeit des § 2 III StGB. Danach ist das mildeste Gesetz anzuwenden, wenn das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert wird. Dies setzt grundsätzlich eine Kontinuität des Unrechtstypus in der neuen Regelung voraus (vgl. S/S-Eser/Hecker, § 2 Rn. 23), d.h. § 2 III StGB käme nicht zum Zuge, wenn in § 315 d V StGB keine spezielle, den Täter privilegierende Regelung in Bezug auf § 211 StGB gesehen werden sollte.
Die hier angerissenen Fragen werden die Rechtsprechung sicherlich noch beschäftigen, weil sie vor allem bei der Auslegung der neuen Vorschrift eine bedeutsame Verteidigungslinie darstellen werden. Letztlich verdeutlicht die zwangsläufige Annahme eines Mordes bei vorsätzlicher Todesverursachung in Raser-Fällen (das Auto wird sich in entsprechenden Konstellationen regelmäßig als gemeingefährliches Mittel darstellen) die übergeordnete Problematik beim Mordparagrafen, ohne Ausnahme die lebenslange Freiheitsstrafe anzuordnen, sobald eines der dort geregelten Merkmale erfüllt ist. Hätten wir eine auf der Rechtsfolgenseite flexible Regelung (contra legem gibt es bereits solche Hilfskonstruktionen bei der Heimtücke – Rechtsfolgenlösung des BGH, vgl. S/S-Eser/Sternberg-Lieben § 211 Rn. 10a), würden sich auch hier viele Probleme nicht in dieser Dringlichkeit stellen. Es besteht also ein – bereits erkannter – Reformbedarf, der endlich in Angriff genommen werden sollte.
Oder aber es kommt ganz anders: Der Bundesgerichtshof verwirft selbst in einem extremen Fall wie in Berlin einen Tötungsvorsatz, so dass letztlich allein § 315 d V StGB zur Anwendung kommt. Wir werden es hoffentlich bald erfahren.